Traditionelle chinesische Medizin

TCM-Apotheke (中药房) einer TCM-Klinik in Nanjing, 2017
Händler für Arznei der TCM und der traditionellen Volksmedizin (中药行) in Hongkong, 2005

In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM, chinesisch 中醫學 / 中医学, Pinyin zhōngyīxué – „Lehre der Chinesischen Medizin“, umgangssprachlich meist 中醫 / 中医, zhōngyī – „chinesische Medizin“[1][2], selten 漢醫學 / 汉医学, hànyīxué – „Lehre der Han-Medizin“) werden viele historisch unterschiedliche chinesische Behandlungsformen sowie einige diagnostische Modalitäten zusammengefasst. Die TCM beruht auf Annahmen, die der taoistischen Philosophie entstammen. Der heutige TCM-Begriff entstand historisch etwa gegen Ende des 19. Jh.[3] bzw. Anfang des 20. Jh. in China und wurde 1936 erstmals offiziell von der Regierung der Kuomintang (Republik China [1912–1949]) als TCM (中醫) in den „Regelungen zur TCM“ (中醫條例) gesetzlich erwähnt.[4] Später nach dem Bürgerkrieg wurde der Begriff vom kommunistischen Politiker und Machthaber Mao Zedong aufgegriffen und als ideologisch motiviertes Instrument weiter genutzt.[5][6][7] Die „im Westen“ gebräuchliche Bezeichnung traditionelle chinesische Medizin[8] ist in China unüblich.

Zu den therapeutischen Verfahren der TCM zählen vor allem die Arzneimitteltherapie und die Akupunktur sowie die Moxibustion (Erwärmung von Akupunkturpunkten). Zusammen mit Massagetechniken wie Tuina Anmo und Shiatsu, mit Bewegungsübungen wie Qigong und Taijiquan und mit einer am Wirkprofil der Arzneien ausgerichteten Diätetik werden die Verfahren heute gerne als die „fünf Säulen“ der chinesischen Therapie bezeichnet. Die TCM ist die traditionelle Heilkunde mit dem größten Verbreitungsgebiet, besonders die Akupunktur wird heute weltweit praktiziert.[9] Ursprünglich hatten die zahlreichen Modalitäten ein Verbreitungsgebiet im ostasiatischen Raum, insbesondere Vietnam, Korea und Japan. Auf dieser Grundlage entwickelten sich spezielle Varianten in diesen Ländern, wie zum Beispiel die japanische Kanpō-Medizin.

Von wissenschaftlicher Seite wird eine therapeutische Wirksamkeit vieler Behandlungsmethoden der TCM bestritten und etliche Behandlungsmethoden werden als pseudowissenschaftlich betrachtet.[10][11] Generell widersprechen die Annahmen der TCM den heutigen Fakten über Physiologie oder der Anatomie des Menschen.[6]

Zudem ist die Nutzung der traditionellen Heilkunde in der Volksrepublik China eine Ursache für den illegalen Wildtierhandel sowie das Töten und Schmuggeln gefährdeter Tierarten. So wird Elfenbein als chinesisches Potenzmittel und Aphrodisiakum genutzt, was ein Grund für die Gefährdung der Population afrikanischer Elefanten, aber auch von Nashörnern ist.[12][13]

Trotzdem unterstützt Xi Jinping, jetziger Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas und „Überragender Führer“, die traditionelle chinesische Medizin und nennt sie ein „Juwel“ gegenüber der „westlichen Medizin“. Die Regierung will deren Nutzung ausweiten und die Zahl der Heilpraktiker erhöhen. Studenten der TCM müssen keine medizinischen Prüfungen auf der Grundlage der westlichen Medizin mehr ablegen, sondern lediglich eine Lehrlingsausbildung absolvieren. Wissenschaftler weisen darauf hin, dass Produzenten von TCM-Arzneimitteln nach wie vor mit deren Unbedenklichkeit zu kämpfen hätten, da toxische Inhaltsstoffe vorkommen können; eine Minimierung von Anforderungen an klinische Studien könne mehr Patienten in Gefahr bringen. Zensoren der Regierung entfernen Internetinhalte, welche die TCM in Frage stellen.[14]

  1. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen zhongyi_01.
  2. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen zhongyi_02.
  3. etwa zur Zeit des Opiumkriegs (1839 bis 1842 bzw. 1856 bis 1860)
  4. 曾宣靜, 林昭庚, 孫茂峰 Tseng Hsuan-ching, Lin, Jaung-geng, Sun Mao-feng: 民初中醫醫育法權之建構 (1912–1949) 中醫條例醫師法為論述核心. Creating Legal Rights for Traditional Chinese Medicine during the Early Years of the Republic of China (1912-1949): On the Chinese Medicine Ordinance of 1936 and the Physicians Act of 1943. Hrsg.: 國立臺灣師範大學歷史學系 ‚Fakultät für Geschichte der National Taiwan Normal University‘ (= 國立臺灣師範大學 englisch National Taiwan Normal University [Hrsg.]: 臺灣師大歷史學報 englisch Bulletin of Historical Research. Band 59, Nr. 6/2018). Taipei Juni 2018, S. 41–100, doi:10.6243/BHR.201806_(59).0002 (chinesisch, edu.tw [PDF; 4,0 MB] Abriss zum Inhalt auf Seite 59; nicht amtliche Schreibung der Namen der Autoren nach der Pinyin-Umschrift: 曾宣靜, 林昭庚, 孫茂峰 Zēng Xuānjìng, Lín Zhāogēng, Sūn Màofēng; die „National Taiwan Normal University“, kurz NTNU (國立臺灣師範大學, kurz 臺師、臺師大、臺灣師大) steht im Deutschen etwa für „Staatliche Pädagogische Universität Taiwan“;).
  5. Paul U. Unschuld: Medizingeschichte: Die erstaunliche Wiederkehr der Traditionellen Chinesischen Medizin. In: Spektrum.de. 14. Februar 2013, abgerufen am 15. Mai 2022.
  6. a b Edzard Ernst: Heilung oder Humbug?: 150 alternativmedizinische Verfahren von Akupunktur bis Yoga. 1. Auflage. Springer, Berlin 2020, ISBN 978-3-662-61708-3, S. 347–349, doi:10.1007/978-3-662-61709-0.
  7. Christina Berndt: Heilung auf Treu und Glauben. In: Süddeutsche Zeitung. 11. Juni 2010, abgerufen am 15. Mai 2022.
  8. Traditionelle chinesische Medizin – 傳統中國醫學 / 传统中国医学, Chuántǒng Zhōngguó Yīxué – „die Lehre der traditionellen chinesische Medizin“
  9. Legal Status of Traditional Medicine and Complementary/Alternative Medicine: A Worldwide Review. (PDF; 678 kB) In: paho.org. Pan American Health Organisation (PAHO), World Health Organisation (WHO), 2001, S. 2, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 8. August 2017; abgerufen am 4. Februar 2023 (englisch).
  10. Richard Stone: Lifting the Veil on Traditional Chinese Medicine. In: Science. Vol. 319, Issue 5864, 8. Februar 2008, S. 709–710, abgerufen am 10. März 2017.
  11. Hard to swallow. In: Nature. Band 448, Nr. 7150, 2007, S. 105–106, doi:10.1038/448106a: „But it seems problematic to apply a brand new technique, largely untested in the clinic, to test the veracity of traditional Chinese medicine, when the field is so fraught with pseudoscience.“
  12. Why is ivory so popular in China? In: BBC. 19. Januar 2015, abgerufen am 31. Juli 2021 (englisch).
  13. Dan Levin: From Elephants’ Mouths, an Illicit Trail to China. In: The New York Times. 1. März 2013, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. August 2020; abgerufen am 31. Juli 2021 (englisch).
  14. David Cyranoski: China to roll back regulations for traditional medicine despite safety concerns. In: Nature. Nr. 551, November 2017, S. 552–553, doi:10.1038/nature.2017.23038 (englisch).

From Wikipedia, the free encyclopedia · View on Wikipedia

Developed by Nelliwinne